Kurznachrichten möglichst schnell mit der Welt teilen – so der Anspruch vieler Micro-Blogging-Dienste. Mastodon stellt eine freie und dezentrale Alternative zum populären aber umstrittenen Dienst Twitter dar, und begeistert mittlerweile über 1,6 Millionen NutzerInnen.
Dies ist ein weiterer Artikel aus unserer Themenreihe „Digitale Vernetzung der Wandelbewegung“.
Mastodon in drei Sätzen
Mastodon ist ein dezentrales soziales Netzwerk – vereinfacht gesagt eine Open-Source-Variante von Twitter. Besonders ist, dass man Mastodon auf einem beliebigen Server nutzen kann, z.B. seinem eigenen. Das Ziel ist somit, Kurznachrichten mit vielen Menschen zu teilen und dabei genau zu wissen, wo die eigenen Daten liegen.
Wer entwickelt Mastodon?
Hauptverantwortlich für die Software ist Eugen Rochko aus Jena. Die Entwickler-Community umfasst mittlerweile über 500 EntwicklerInnen, die kleinere Änderungen an der Software vorgenommen haben. Das Kern-Entwicklerteam – also Menschen, die regelmäßig an der Software arbeiten – umfasst allerdings nur etwa 7 Personen.
Nutzt Mastodon bestehende Technologien?
Mastodon ist eine im Jahr 2016 begonnene Neuentwicklung. Wie in der Open-Source-Szene üblich wird auf bestehende Kommunikations-Standards aufgesetzt, z.B. dem ActivityPub-Protokoll und OStatus-Diensten.
Was ist der Zweck von Mastodon?
Mastodon wird als freie Alternative zu Twitter gesehen. Es gibt verschiedene Gründe, warum Twitter nicht als optimale Lösung angesehen wurde. Etwa die Tatsache, dass der Dienst von einem einzigen Unternehmen entwickelt und betrieben wird. Oder dass NutzerInnen keinen direkten Einfluss darauf haben, welche Funktionen umgesetzt werden.
Mastodon will ein technisch sauberer und offener Microblogging-Dienst sein.
In welchem Stadium befindet sich Mastodon (Idee, Prototyp, fertiges Produkt)?
Die Software ist ein fertiges Produkt und trägt aktuell die Versionsnummer 2.6.
Für welche Zielgruppe ist Mastodon gedacht?
Mastodon möchte Menschen erreichen, denen einerseits die Kontrolle über ihre eigenen Daten wichtig ist und die andererseits einfach mit Freunden, Bekannten oder der Öffentlichkeit kommunizieren wollen.
Wie erreichen die Mastodon-EntwicklerInnen ihre BenutzerInnen?
Mastodon hat eine Internetseite mit Informationen zur Plattform. Dort gibt es auch einen Blog, in dem Eugen Rochko etwa monatlich einen Artikel veröffentlicht.
Rochko hat selbstverständlich auch einen eigenen Mastodon-Account, über den er Kurznachrichten teilt.
Ein Großteil der Kommunikation zur Software-Entwicklung läuft über die Plattform GitHub.
Wie groß ist die Mastodon-Community und wie aktiv ist diese?
Laut the-federation.info gibt es aktuell ca. 1,6 Millionen Mastodon-NutzerInnen, die sich auf etwa 2.600 verschiedene Server verteilen. Die Community ist sehr aktiv – alleine auf dem beliebtesten Server mastodon.social haben die NutzerInnen insgesamt knapp 10 Millionen Statusmeldungen veröffentlicht.
Ein Größenvergleich: Twitter hat ca. 330 Millionen monatlich aktive NutzerInnen. Zwar ist Mastodon im Vergleich zu allen anderen dezentralen sozialen Netzwerken das größte und aktivste. Im Vergleich zu Twitter hat Mastodon allerdings nur ein knappes halbes Prozent so viele NutzerInnen.
Fun fact: Obwohl der Hauptentwickler in Deutschland wohnt, ist das Land, in dem Mastodon am meisten verwendet wird, überraschenderweise Japan. Danach folgen die USA und Frankreich. In Deutschland ist Mastodon noch nicht so stark etabliert.
Hat Mastodon einen thematischen Schwerpunkt?
Mastodon selbst hat keinen thematischen Schwerpunkt. Oft ist es jedoch so, dass Communities sich dafür entscheiden, einen eigenen Server zu betreiben, um gezielt Menschen aus diesem Umfeld zu erreichen.
Auf der Seite joinmastodon.org gibt es bspw. eine Suchfunktion, um einen Server (bzw. eine Community) zu finden, die den eigenen Interessen entspricht. Hier werden die Interessensgruppen KünstlerInnen, MusikerInnen, AutorInnen, AktivistInnen, JournalistInnen, LGBTQ+ usw. vorgeschlagen.
Was sind die Kernfunktionen von Mastodon?
Genau wie bei Twitter können die NutzerInnen bei Mastodon kurze Statusmeldungen (sog. „Toots“) teilen. Diese können auch Fotos, Videos und Links beinhalten. Andere NutzerInnen können auf solche Meldungen antworten, sie teilen („boosten“) oder auf „gefällt mir“ klicken („favorite“). Ein soziales Netzwerk lässt sich dadurch abbilden, dass NutzerInnen anderen folgen. Wer das tut, sieht auf der eigenen Startseite die Meldungen jener NutzerInnen. Fachlich lassen sich Meldungen mit Hashtags kennzeichnen, nach denen man auch suchen kann.
Die Funktionen sind also eigentlich ziemlich genau wie Twitter, nur dass sie teilweise anders heißen.
Welches Alleinstellungsmerkmal hat Mastodon?
Mastodon ist ein föderiertes soziales Netzwerk. Das heißt, dass nicht alle Informationen aller NutzerInnen auf einem zentralen Dienst – wie bei Twitter – liegen. Sondern zum einen dezentral – also auf mehrere Server verteilt. Für welchen sich der/die NutzerIn entscheidet, ist Geschmackssache, oder man installiert seinen eigenen Server. Zum anderen werden Informationen zwischen mehreren unterschiedlichen sozialen Netzwerk-Arten ausgetauscht. EinE NutzerIn auf Mastodon kann daher auch mit NutzerInnen auf Diaspora, Friendica, Hubzilla usw. kommunizieren. Mastodon ist somit Teil der „Federation“ bzw. des „Fediverse„.
Interessant ist auch, dass die Benutzeroberfläche ganz anders aussieht als bei Twitter. Und zwar ist die Darstellung mehrspaltig – eine Spalte für Startseitenmeldungen, eine für Mitteilungen, eine für weitere Hashtags, denen man folgt, usw.
Gibt es ähnliche Plattformlösungen zu Mastodon?
Ja, es gibt relativ viele weitere Mikro-Blogging-Dienste. Der bekannteste „unfreie“ Dienst ist Twitter.
Im Bereich der alternativen sozialen Netzwerke gibt es z.B. Diaspora, Pleroma und Hubzilla. Mastodon ist das am weitesten verbreitete alternative soziale Netzwerk.
Wie ist der technische Aufbau von Mastodon?
Mastodon ist mit „Ruby on Rails“ im Backend umgesetzt. Für das Frontend und eine sog. Streaming API werden React.js und Node.js eingesetzt.
Man kann sich Mastodon auf einem eigenen Server installieren. Hierbei hilft insbesondere ein vorbereiteter Docker-Container.
Ist Mastodon eine Open-Source-Lösung?
Ja, man kann den Quellcode bei Github beziehen. Die Anwendung ist unter der Lizenz AGPLv3 veröffentlicht.
Hat Mastodon Schnittstellen?
Ja, zum einen setzt Mastodon das ActivityPub-Protokoll um und kann daher mit anderen Diensten Daten austauschen, die dasselbe Protokoll sprechen. Es wurde auch das OStatus-Protokoll implementiert, das bspw. vom StatusNet (ehem. identi.ca), Friendica und weiteren Diensten genutzt wird.
Zum anderen hat Mastodon bspw. einen OAuth2-Provider. Man kann sich daher mit seinem Mastodon-Account bei anderen Diensten anmelden.
Und selbstverständlich gibt es diverse freie Apps, mit denen man Mastodon auch auf mobilen Geräten nutzen kann.
Welches Geschäftsmodell verfolgt Mastodon?
Mastodon selbst ist ein Open-Source-Projekt, das keine Gewinnabsicht verfolgt. Daher sind hier weder Werbeeinnahmen noch Risikokapital im Spiel. Allerdings gibt es einige Sponsoren, die den Hauptentwickler mit einer freiwilligen monatlichen Zahlung unterstützen. An der Sponsoring-Kampagne auf patreon.com haben aktuell knapp 1.000 Menschen teilgenommen, die in Summe knapp 5.000 US-Dollar an monatlichen Spenden für den Entwickler zahlen.
Es gibt auch einen Shop, in dem Merchandise-Produkte verkauft werden – aktuell ein T-Shirt und ein Sticker-Motiv. Damit wird man sicherlich nicht reich, aber von der o.g. Patreon-Kampagne kann man gut leben.
Was ist die Historie von Mastodon?
Die allererste Datei vom Mastodon-Quellcode wurde im März 2016 veröffentlicht. Die Veröffentlichung der Version 1.0 erfolgte im Februar 2017. Im Oktober 2017 erschien bereits die Version 2.0. Das Blog startete Rochko im Februar 2017. Im Mai 2018 wurde die 1 Mio.-NutzerInnen-Grenze überschritten.
Wo ist die Geschäftsstelle von Mastodon?
Es gibt keine Rechtsform hinter Mastodon. Auch die Begrüßungsseite joinmastodon.org wird privat von Eugen Rochko betrieben. Als Adresse ist verständlicherweise die Anschrift eines Adress-Schutzdienstes hinterlegt.
Welche Unterstützung wünschen sich die Mastodon-EntwicklerInnen?
Da es keine Organisation hinter Mastodon gibt, entfallen typische Verwaltungstätigkeiten.
Mastodon hilft es am ehesten weiter, indem es genutzt wird, d.h. indem sich viele Menschen auf vorhandenen Servern anmelden und eigene Server installieren. Fehlermeldungen und Verbesserungsvorschläge können auf der Github-Seite eingebracht werden. Und natürlich kann man sich dort auch als SoftwareentwicklerIn oder DesignerIn einbringen.
Kooperiert Mastodon mit weiteren Partnern?
Dazu ist uns leider nichts bekannt.
Was sind die nächsten Schritte von Mastodon?
Aktuell wird eine Version 2.7 entwickelt, die etwa zu zwei Dritteln umgesetzt ist. Hierbei liegt der Schwerpunkt im Bereich Moderation.
Über die weitere Entwicklung und ein Ausblick in die Zukunft ist uns nichts bekannt.
Unser Fazit zu Mastodon
Eine lange Zeit war der Ruf nach dem neuen „Facebook-Killer“ sehr laut und es wurden verschiedene Projekte gestartet – bislang keines mit durchschlagendem Erfolg. Mastodon will Facebook nicht ersetzen, sondern „erst einmal“ Twitter und hat damit erstaunlichen Erfolg. Die konsequente Ausrichtung auf freie Software und offene Protokolle erleichtern die Integration in ein größeres Ökosystem. Es gibt auch die Möglichkeit, Mastodon mit mobilen und freien Apps zu nutzen. Das gefällt uns ausgesprochen gut.
Wir müssen zum Glück keinen Aufruf starten, von Twitter zu Mastodon zu wechseln.
Denn das passiert bereits von alleine – 1,6 Millionen NutzerInnen sprechen für sich.
Weitere Informationen: joinmastodon.org