Friendica – das sichere soziale Netzwerk mit Datenhoheit

Die größten sozialen Netzwerke speichern ihre Daten zentral und können diese für Big Data oder Auskünfte für die Geheimdienste nutzen. Nicht so Friendica – das dezentrale soziale Netzwerk ermöglicht eine einfache Installation auf dem einem eigenen Server und gibt den AnwenderInnen ihre Datenhoheit zurück.

Wir haben ein Interview mit Andreas Hannusch geführt. Er ist begeisterter Nutzer von Friendica betreibt einen eigenen Server.

Dies ist der siebte Artikel unserer Themenreihe „Digitale Vernetzung der Wandelbewegung“.

Beschreibe in max. 3 Sätzen das Projekt an dem du gerade arbeitest

Ich bin Webmaster der Stadt Zwenkau und habe den Auftrag erhalten, den BürgerInnen ein Forum zur Verfügung zu stellen, das modern, sicher und datenschutzgerecht ist.
Meine Wahl fiel vor einigen Jahren auf Friendica und diese Kommunikationsplattform – die Zwenkauer Flaschenpost – wird von den BürgerInnen gut angenommen.
Die meisten sind dort lesend unterwegs, es gibt aber auch einige, die regelmäßig Beiträge schreiben und online an Diskussionen teilnehmen.

Andreas Hannusch ist Administrator der Stadt Zwenkau und betreibt Friendica-Server

Nutzt du eine bestehende Plattform-Lösung oder entwickelst du etwas eigenes?

Im Einsatz ist Friendica in einer Standard-Installation. Lediglich dasTheme habe ich ein wenig angepasst, um es optisch passender zu gestalten.

Warum hast du deine Entscheidung so getroffen?

In den 90er-Jahren wurde als Diskussionsplattform phpBB eingesetzt. Das ist eine Forums-Software, die in meinen Augen irgendwann in seiner Entwicklung stehen geblieben ist. Die Software musste ich durch eine neuere ablösen. Damit nicht alle NutzerInnen zum „riesengroßen F“ wechseln, suchte ich eine solide datenschutzkonforme Lösung.

Ich habe mir Diaspora angeschaut, die Architektur war aber aus meiner Sicht eine mittlere Katastrophe und darüber hinaus selbst für einen fähigen Administrator schwer zu installieren und zu warten. Friendica ist meiner Meinung nach von der Architektur, Installation und Wartung deutlich besser und wirklich professionell einsetzbar.

Neben dem Diskussionsforum gibt es noch einige andere Dienste, die ich für die Stadt Zwenkau hoste, z.B. eine Bildergalerie und Terminkalendersystem. Bei diesen Lösungen habe ich ebenfalls auf Sicherheit und Wartbarkeit großen Wert gelegt. Bereits vor dem Aufkommen von Let’s Encrypt haben wir bspw. alle Verbindungen sicher über https laufen lassen.

Was ist der Zweck der Plattform, die du einsetzt?

Die Zwenkauer Flaschenpost ist das Diskussionsforum der Stadt Zwenkau. Diese Friendica-Installation ist somit überwiegend dafür da, dass sich die BürgerInnen der Stadt untereinander austauschen und Informationen beziehen können.
Friendica ist aber auch vielseitig und offen für andere Einsatzzwecke. Unser Server ist offen, d.h. es können sich auch andere Menschen darauf anmelden. Davon machen auch internationale Kontakte Gebrauch. Die Kommunikation erfolgt somit über Ländergrenzen hinweg.

Generell hat Friendica die Absicht, eine sichere Kommunikation zu ermöglichen. Sicher im Sinne, dass die Verbindungen von BenutzerIn zu BenutzerIn verschlüsselt ist und sicher im Sinne von dezentral. Man kann sich also aussuchen, auf welchem Server man seine Daten speichern möchte – oder auch selbst einen installieren, so wie ich.

Screenshot von Friendica – hier das Forum der Stadt Zwenkau (Zwenkauer Flaschenpost)

In welchem Stadium befindet sich die Plattform (Idee, Prototyp, fertiges Produkt)?

Die Plattform ist ein fertiges Produkt und wird ständig weiter entwickelt. Unsere Installation arbeitet mit der aktuellen stabilen Version (der sog. Master-Branch).
Es erscheinen regelmäßige Updates, die ich mit dem Programm Git automatisch herunterlade und installiere.

Für welche Zielgruppe ist die Plattform gedacht?

Für alle, die sich für alternative Kommunikationsformen interessieren. Das sind nicht nur BenutzerInnen aus Deutschland, sondern weltweit.

Da Friendica eine Vielzahl von Kontaktformen beherrscht, kann ich nicht nur Kontakte zu anderen Friendica-NutzerInnen halten, sondern auch zu NutzerInnen von Mastodon, Diaspora, Hubzilla und Co. (The Federation). Freunde, die nur einen E-Mail- und keinen Social-Media-Account habe, kann ich über die E-Mail-Integration einbinden. Ich muss also nicht immer zwischen vielen Kanälen wechseln, sondern kann die ganze Kommunikation über Friendica laufen lassen.

Friendica hat mehrere Kontoarten, die jeweils unterschiedliche Verwendungszwecke haben – offenes Forum, geschlossenes Forum, privater Account, Account für Öffentlichkeitsarbeit, Gemeinschaftsforum, usw.

Wie erreichen die Plattform-Entwickler ihre Benutzer?

Auf der Plattform selbst findet ein täglicher Austausch über das System statt. Insbesondere das „Friendica-Entwicklerforum“ und das „Support-Forum“ sind sehr aktiv genutzte Kanäle. Wenn NutzerInnen dort eine Frage stellen, wird in der Regel innerhalb von Minuten geantwortet.

Für die Öffentlichkeitsarbeit gibt es eine Friendica-Website und einen Twitter-Account. Zu bedenken ist, dass am System Freiwillige arbeiten, die auch ihrem Beruf nachgehen müssen. Es gibt daher kein riesiges Marketing-Budget und keine unbegrenzten Ressourcen um der Welt Friendica bekannt zu machen. Wir freuen uns immer, wenn wir von den Medien aufgegriffen werden, z.B. vom Heise-Verlag, der Friendica für die einfache Installation lobt.
Ich versuche auch über private und berufliche Kontakte auf die Plattform aufmerksam zu machen. Beruflich bin ich auch im Bereich Schul-EDV tätig – für Schulen wäre Friendica z.B. ein hervorragendes System als Alternative zum zurecht kritisierten Whats-App.

Beim jährlichen Friendica-Treffen in Zwenkau treffen sich die ehrenamtlichen Friendica-EntwicklerInnen in einem familiären Rahmen um gemeinsam zu diskutieren und zu programmieren

Wie groß ist die Community der Plattform und wie aktiv ist diese?

Die Community ist sehr aktiv, ihre Größe lässt sich aber nicht schätzen. Das liegt zu einen daran, dass jedeR NutzerIn darüber entscheiden kann ob er/sie öffentlich sichtbar sein möchte. Öffentlich unsichtbare Profile können ergo nicht gezählt werden. Zum anderen liegt es daran, dass Friendica mit zahlreichen anderen Systemen kommuniziert, die alle anders funktionieren – mein Server ist alleine mit 3.000 anderen Servern (Friendica, Diaspora und Co.) verknüpft und kennt theoretisch weit über 10.000 Menschen.

Beschränkt man die Sicht auf Friendica, kommt man auf eine kleinere Zahl. Es gibt mindestens 300 Friendica-Server. Konservativ geschätzt kämen wir bei 10 NutzerInnen je Server auf mindestens 3.000 Friendica-NutzerInnen. Wie eingangs erwähnt, gibt es aufgrund der Entscheidung vieler NutzerInnen gegen eine öffentliche Sichtbarkeit eine hohe Dunkelziffer.

Abgesehen davon sind wir sehr für Datenschutz – wir wollen gar nicht wissen, wie viele Menschen es genau sind.

Hat die Plattform einen thematischen Schwerpunkt?

Nein, hat sie nicht. Es gibt Leute, die tauschen sich über Punkrock aus, andere über ihre Hunde.

Was sind die Kernfunktionen der Plattform?

Ähnlich wie bei gängigen sozialen Netzwerken gibt es folgende Funktionen:

  • eigenes Profil
  • Freunde verknüpfen
  • Nachrichten senden
  • Beiträge mit „gefällt mir“ oder „gefällt mir nicht“ kennzeichnen
  • Beiträge teilen
  • Bilder, Videos und Veranstaltungen teilen

Eine schöne Funktion ist es, je NutzerIn mehrere Profile (= Steckbriefe) zu haben. Ich kann in einem beruflichen Steckbrief bspw. angeben, was für fachliche Qualifikationen und Interessen ich habe. In einem privaten kann ich über meine Hobbies schreiben. Ich kann entscheiden, wer welches Profil sehen darf.

Beim Verfassen eines Beitrags kann ich auch festlegen, wer ihn sehen darf. Dafür kann ich Kontaktgruppen anlegen, z.B. Familie, Freunde oder KollegInnen.

Was ist das Alleinstellungsmerkmal der Plattform?

Ganz ehrlich weiß ich nicht, ob es ein besonderes Alleinstellungsmerkmal gibt. Ein großer Vorteil ist auf jeden Fall die einfache Installation und die große Bandbreite von Kontaktarten, mit denen ich kommunizieren kann: E-Mail, Friendica und artverwandte Netzwerke, sogar Twitter lässt sich integrieren. Facebook geht nicht mehr, seitdem Facebook seine API eingestellt hat.

Friendica kann mit einer Vielzahl von Kontaktarten kommunizieren – Quelle: http://wiki.toktan.org

Gibt es ähnliche Plattformlösungen / Mitbewerber?

Ja, die ähnlichsten sind Hubzilla und Diaspora. Mit Facebook möchte ich mich nicht vergleichen, denn wir haben einen ganz anderen Ansatz.

Wie ist der technische Aufbau der Plattform?

Friendica läuft auf der sehr verbreiteten LAMP-Architektur (Linux, Apache, MariaDB, PHP). Es ist sehr einfach zu installieren und zu betreiben – ich kenne auch NutzerInnen, die für ihre Familie Friendica auf einem Miniatur-Computer (Raspberry PI) installiert haben, der bei ihnen in der Wohnung steht. So einfach geht Datenhoheit.

Für die Plattform wurde kein spezielles Framework verwendet. Im Frontend kommen gängige Bibliotheken wie Bootstrap und jQuery zum Einsatz.

Ist die Plattform eine Open-Source-Lösung?

Ja, der Quellcode liegt bei GitHub: https://github.com/friendica/friendica

Hat die Plattform Schnittstellen?

Ja, die Plattform kommuniziert mit anderen sozialen Netzwerken aus der Federation – um hier einmal alle zu nennen: Diaspora, GNU Social, Pump.io, Mastodon und Pleroma.

Meinen Kalender kann ich über iCal exportieren, also lesend darauf zugreifen. Dinge wie Card-DAV zum Kontaktabgleich lassen sich aufgrund der vielen Kontaktformen nicht umsetzen. Für Web-DAV ist Friendica nicht gedacht. Es ist also keine Cloud, sondern einfach ein soziales Netzwerk für Kommunikation.

Es gibt auch die Möglichkeit, Friendica auf dem Smartphone zu nutzen. Zum einen über die responsive Web-Oberfläche, zum anderen über Apps, z.B. Friendica Mobile für Windows-Smartphones oder Twidere für Android.

Wie ist das Geschäftsmodell der Plattform?

Es gibt keins. Friendica ist ein Open-Source-Projekt, an dem Freiwilllige arbeiten. Es fließt auch nirgends Geld.

Was ist die Historie der Plattform?

Friendica ist im Sommer 2010 veröffentlicht worden. Die Version 2 erschien im Frühjahr 2011.
Mediale Aufmerksamkeit erlangte Friendica im Jahr 2012, als die c’t, t3N und DRadio Wissen darüber berichteten.
Aktuell ist die Version 3.6.

Wer steht hinter der Plattform?

Eine Gemeinschaft von EntwicklerInnen und NutzerInnen. An der Software haben 80 EntwicklerInnen mitgewirkt, davon sind etwa 8 sehr aktiv.
Ich gehöre nicht unbedingt zu den Programmieren, aber beteilige mich an der Übersetzung ins Deutsche.

Wo ist die Geschäftsstelle der Plattform?

Es gibt keine.

Welche Rechtsform haben die Macher?

Eine Rechtsform gibt es auch nicht.

Wünschen sich die Macher der Plattform Unterstützung?

Ja, ich wünsche mir eine stärkere Verbreitung alternativer sozialer Netzwerke. Das darf Friendica, aber auch jedes beliebige andere Netzwerk sein.

Als öffentliche Rundfunkanstalt täte es dem MDR – wie allen öffentlichen Trägern – meiner Ansicht nach gut, konsequent auf Open-Source und freie Kommunikationsmittel zu setzen. Leider nutzt der MDR aber nur Facebook. Als ich einen Ansprechpartner fragte, warum das so sei, wurde mir entgegnet dass man da sein muss, wo die Menschen sind. Die meisten Menschen nutzen Facebook.
Ich halte das für ein Henne-Ei-Problem. Vielleicht muss auch eine größere Organisation einmal den Schritt gehen und Friendica anstelle von Facebook nutzen. Da würden gleich mal tausende von NutzerInnen in ein alternatives soziales Netzwerk kommen.

Gerade in den letzten Wochen war die Frage, warum die öffentliche Hand so sehr auf Closed-Source-Software und Microsoft setzt. Die Stadt München ist bspw. wieder zurückgewechselt von Linux auf Windows.

Wo Steuergelder ausgegeben werden, sollten Open-Source-Lösungen in meinen Augen verpflichtend sein. Im Bereich der sozialen Netzwerke gibt es kein Monopol, da kann man frei wählen. Friendica kann ohnehin mit fast allen kommunizieren. Das würde der gesamten Bewegung und damit auch Friendica viel Unterstützung geben.

Kooperieren die Macher der Plattform mit weiteren Partnern?

Im Rahmen der Möglichkeiten wird mit den Diaspora- und Hubzilla-Entwicklern kooperiert. Letztes Jahr beim Chaos Communication Congress gab es in Leipzig eine Entwickler-Ecke für das Federation-Protokoll. Da haben die Entwickler gemeinsam an sozialen Netzwerken gearbeitet.

Was sind die nächsten Schritte für die Plattform?

Aktuell wird an der nächsten Version gearbeitet, die in den nächsten Wochen veröffentlicht wird. Allerdings steht dahinter kein Zeitdruck, da alle EntwicklerInnen daran ehrenamtlich arbeiten.

Am 04./05.08.2018 wird es ein EntwicklerInnen-Treffen in Zwenkau geben. Hier kommen auch einige Gäste aus den USA. Interessierte können sich dazu im Friendica-Forum anmelden.

Was ist dein Fazit zur Plattform?

Friendica ist eine einfach zu installierende & administrierende Plattform für ein soziales Netzwerk. Der Schwerpunkt liegt auf flexibler und sicherer Kommunikation.

Ich bin sehr glücklich mit den Menschen, die ich hier kennengelernt habe und über die Gespräche, die wir hier führen. Friendica nutze ich auch für den Kontakt mit Familie und Freunden. Auch mal zum Austausch um technische Probleme zu lösen.

Und mein Hund Linus hat übrigens auch sein eigenes Friendica-Konto, wo ich Fotos und Neuigkeiten von ihm mit Freunden und anderen HundebesitzerInnen teile.

Andreas Hund Linus hat seine eigene Friendica-Seite

Friendica kann man auf der Seite https://tryfriendica.de/ ausprobieren. Bei der Auswahl eines öffentlichen Servers hilft auch die Liste öffentlicher Server auf der Friendica-Internetseite.

4 Antworten auf „Friendica – das sichere soziale Netzwerk mit Datenhoheit“

  1. Andreas, vielen Dank für die Erwähnung der Windows-App. Kleine Anmerkung dazu: die App ist nicht nur für Windows-Smartphones (die ja nicht mehr verkauft werden) verfügbar, sondern für alle Windows 10-Computer.

    Weitere Infos (in Englisch) dazu gibt es unter https://friendica.hasecom.at/profile/friendicamobile
    (dort ist auch ein Link in den Microsoft Store)

    Außerdem habe ich einen Youtube-Channel zur App eingerichtet (auch Englisch):
    https://www.youtube.com/channel/UCnRt5h9VTtaec3QAn6u3mqQ

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