Hubzilla – Interview zum dezentralen sozialen Netzwerk

Viele Initiativen sind daran interessiert, ihre Community durch eine digitale Kommunikations-Plattform zu ergänzen. Einige möchten aus guten Gründen Facebook nicht nutzen und sind auf der Suche nach Alternativen. Gustav Wall hat sich im vergangenen Jahr intensiv mit der Anwendung Hubzilla auseinandergesetzt und will seine Erfahrungen mit green net project und der Welt teilen. Markus Kollotzek hat dazu ein Interview mit ihm geführt.

Dieses Interview wurde aufgezeichnet und lässt sich auch in voller Länge (ca. 1,5 Std.) herunterladen.

green net project (gnp): Ich habe mitbekommen, Hubzilla ist was im Internet und hat mit Vernetzung zu tun, vergleichbar mit Facebook. Was ist es genau?

Gustav Wall: Hubzilla ist technisch gesehen ein dezentrales soziales Netzwerk. Diejenigen, die das Netzwerk konzipiert haben, wollten ein Medium schaffen, dessen Architektur, Struktur und Protokoll eine reibungslose, zeitsparende Kommunikation ohne Zensur und Überwachung ermöglicht.
Hubzilla hat eine Menge Features. Welche davon für den Anwender wichtig sind, entscheidet jeder selbst. Es kommt hier immer auf den konkreten Anwendungsfall an.
Das Fazit nach meiner einjähriger Nutzung: Hubzilla ist eine eierlegende Wollmilchsau.

Du erwähntest den Begriff dezentral. Was bedeutet das konkret?

Hubzilla wird vom Funktionsumfang gerne mit Facebook verglichen. Es kann auch das, was Facebook kann, und darüber hinaus noch viel mehr.
In einem Punkt unterscheidet es sich jedoch grundlegend von Facebook: Es ist dezentral.
Das bedeutet: Jeder Teilnehmer, der über dieses Netzwerk kommuniziert, kann die Hubzilla-Software herunterladen, auf einem beliebigen Knoten (in Hubzilla „Hub“ genannt) installieren und betreiben. Das kann man auf einem Server seiner Wahl. Für den Hausgebrauch ist dies z.B. auf dem Raspberry Pi möglich. Sobald der Knoten aber sehr vielen Anwendern zur Verfügung gestellt werden soll, geht das natürlich auch auf einem Multiprozessor-Rechner.
Es gibt also keine Zentrale wie bei Facebook und Co. Jeder Nutzer dockt an diesem Netzwerk dort an, wo er zu kommunizieren wünscht .
Logo von Hubzilla - ein Netzwerk im eigenen Haus
(c) Hubzilla

Oft hört man „Deine Daten gehören Dir“. Wenn ich meinen eigenen Hub betreibe, weiß ich genau, wo meine Daten liegen: Nicht in irgendeiner Konzern-Zentrale, sondern z.B. bei mir im Wohnzimmer.

Das ist genau die Eigenschaft, die mir an Hubzilla am meisten zusagt. Ich bin wieder Herr über meine eigenen Daten. 
Es geht sogar noch weiter. Natürlich ist es nicht das Ziel eines Netzwerks, die Daten nur für sich zu behalten. Es geht auch darum, diese zu teilen.
Bei Hubzilla kann man sehr differenziert definieren, welcher meiner Kontakte auf welche meiner Inhalte Zugriff erhält.
Es klingt zwar etwas pathetisch – aber ich habe ein richtiges Heimatgefühl bei Hubzilla. Es entspricht nicht nur meinen Anforderungen und Erwartungen – ich fühle mich in dieser Umgebung sogar richtig wohl.
Hubzilla sind nicht nur die Software und die Nutzer des Netzwerks. Hubzilla – das sind auch die Leute, die dahinter stehen, die Community, die das in Bewegung gebracht hat und nach und nach weiter entwickelt.

Für wen ist denn Hubzilla besonders interessant? Wer ist die Zielgruppe der Software?

Die Frage kann ich nicht beantworten. Der Gedanke der Dezentralität beinhaltet, dass es keine Vertriebszentrale für das Produkt gibt. Der Weg war andersherum: Jemand hat sich ein Produkt mit bestimmten Eigenschaften ausgedacht. Abstrakt betrachtet handelt es sich um ein Werkzeug, das sich beliebig anwenden lässt.
Es eignet sich insbesondere für vertrauliche Kommunikation, z.B. im Kreise der Familie, unter Vereinsmitgliedern oder im professionellen Umfeld. Interessant wäre es vor allem auch für Freiberufler wie Anwaltskanzleien oder Arztpraxen.
Sicherlich ließe es sich auch für kriminelle Zwecke missbrauchen, wenn man geheim und versteckt vor staatlichen Behörden kommunizieren möchte.
Die Entwickler mögen eine Zielgruppe im Auge gehabt haben oder sie haben sich nach ihren eigenen Bedürfnissen gerichtet.

Ich kann einer Community somit einen sicheren und selbstbestimmten Kommunikationskanal zur Verfügung stellen.

Genau. Beim Einrichten für eine Community kann ich weiterhin steuern, ob es sich um eine offene oder geschlossene Community handeln soll oder ob die Suchmaschinen vorbeischauen und die Inhalte in ihren Index aufnehmen dürfen.

Facebook hat z.B. Funktionen wie Pinnwand, Seite oder Direktnachrichten. Welche Möglichkeiten habe ich bei Hubzilla?

Alle diese Funktionen beherrscht auch Hubzilla. Die Pinnwand heißt bei Hubzilla z.B. Wall. 
Ich bin selbst Webentwickler und bin vom Leistungsumfang sehr überzeugt. Neben den Funktionen ist die Besonderheit aber die Möglichkeit, den Zugriff auf die Inhalte zu steuern.
Ich habe z.B. mal einen Steckbrief von mir erstellt und veröffentlicht – also Aktivitäten zusammengetragen, die ich für wichtig halte. Das habe ich dann als Inhalt bei Hubzilla eingestellt. Ich betrachte das aber als vertraulich, daher habe ich einen Zugriffschutz eingerichtet. Nur diejenigen, die einen sogenannten Token haben, können diesen Inhalt öffnen.
Ein Token ist nichts anderes als eine Zeichenfolge, die nur im Zusammenhang mit dem geschützten Inhalt genutzt werden kann. Wenn mich jetzt jemand nach meiner Vita fragt, z.B. für ein Vorstellungsgespräch, dann kann ich dieser Person ein Token erteilen und damit Zugriff gewähren.

Das ist also so etwas wie ein Passwort.

Richtig, und historisch betrachtet hat es mit dem Begriff „Token“ auch etwas Spannendes auf sich. In Bangladesch, so habe ich bei der kürzlichen Linux-Werkstatt in Oldenburg beiläufig gehört, würden die Züge nach wie vor mithilfe eines Tokens hin- und herbewegt.
Das habe ich sofort bei Wikipedia nachgeschlagen und festgestellt, es stimmt tatsächlich. Im Eisenbahn-Kontext gibt es einen physischen Gegenstand in Gestalt eines Schlüssels oder einer Scheibe, der auf eingleisigen Verbindungen eingesetzt wird. Der Zugführer darf den Zug erst dann in Bewegung setzen, wenn er einen solchen Gegenstand – ein Token – in der Hand hält. So wird der Zugang zu dem Gleis verwaltet.

Du hattest jetzt das Beispiel mit der Vita genannt. Kann ich auch meine Urlaubsbilder hochladen und nur mit dem Freund teilen, mit dem ich im Urlaub war?

Genau. Du brauchst daher definitiv keine Dropbox oder ähnliche Tools mehr.

Wo kommt eigentlich Hubzilla her und wer entwickelt es weiter?

Die ursprüngliche Entwicklung kam von Mike Macgirvin, der auch einen Bezug zu Diaspora, Friendica und auch Mozilla hatte. Irgendwann kam er darauf, dass er so etwas braucht. Im Moment wird Hubzilla aber nicht mehr nur von einer Person entwickelt. Mike ist nach wir vor ein aktives Mitglied und kann sehr schnell bei technischen Fragen helfen. Es sind aber weitaus mehr Personen involviert – wenn man im GitLab (https://framagit.org/hubzilla/core) schaut, sieht man, wie viele Menschen daran arbeiten, sowie deren Namen bzw. Nicknames.
Die Entwickler möchten aber nicht unbedingt öffentlich in Erscheinung treten. Gerade weil es um vertrauliche und überwachungsfreie Kommunikation geht, wollen die Entwickler hier nicht anecken.
Bei Fragen nach technischen Details kann man sich an das Entwicklerforum wenden. Es ist allerdings, anders als in der Open-Source-Szene üblich, nicht öffentlich. Das respektiere ich und werde aus diesem Grund auch keine Klarnamen nennen.
Das Projekt ist Open-Source und man kann die Entwicklung auf der GitLab-Seite beobachten. Das Projekt lebt, und es gibt in letzter Zeit recht viele neue Veröffentlichungen.

Wie prägen sich diese neuen Versionen aus?

Neulich hatte ich eine interessante Beobachtung. Es gab zur Version 2.8 eine neue Oberfläche, die sehr aufgeräumt aussieht. Nun habe ich mich gefragt, wo das Symbol für Benachrichtigungen erscheint. Ich musste ein bisschen Nachforschungen anstellen und wurde dann auf das Change-Log aufmerksam gemacht. Dort steht: Die Benachrichtigungsfunktion ist nun oben rechts.

Wie ist denn das mit Smartphones oder Tablets? Gibt es Apps für Hubzilla?

Nein, momentan ist das nicht vorgesehen. In nächster Zeit wird es das auch nicht geben. Apps können Standort, Bewegungsmuster usw. von einem Gerät abrufen. Darauf verzichten die Hubzilla-Entwickler bis heute, da dieser Komfort auch Datenschutzprobleme mit sich bringt. Ich selbst habe kein Smartphone und auch Hubzilla noch nicht auf Mobilfähigkeit hin getestet. Die Oberfläche ist aber „responsive“. Das habe ich z.B. dann gemerkt, als ich das Browserfenster verkleinert habe und das Suchfenster an eine andere Stelle gerutscht ist.

Wie bist Du persönlich auf Hubzilla aufmerksam geworden?

Ich war eine lange Zeit auf der Suche nach einer Alternative zu meinem Mail-Client Thunderbird. Der wird nämlich unwahrscheinlich langsam, je mehr Nachrichten darin gespeichert sind. Zwischenzeitlich habe ich dann Diaspora entdeckt. Ich weiß nicht mehr, an welcher Stelle genau ich mit Hubzilla in Berührung gekommen bin, vielleicht aber über die Seite https://the-federation.info/hubzilla. Spannend ist, dass Hubzilla auch mit Diaspora und Co. kommunizieren kann. Ich kann Dir also selbst dann über Hubzilla z.B. eine Nachricht schreiben, wenn Du kein Hubzilla-Konto hast.

Funktioniert das dann über E-Mail?

Nicht über E-Mail, aber über alle von Hubzilla unterstützen Kontaktarten. Die ID bei Hubzilla hat ein E-Mail-ähnliches Format, z.B. ichbincool@hub.freecommunication.org. Das ist aber keine gewöhnliche E-Mail, wenn man dort eine Mail hinschickt, kommt die nicht an.
Du brauchst ein Profil in einem der von Hubzilla unterstützten Netzwerke – z.B. Friendica, Diaspora, Mastodon oder GNU Social. Das sind zwar alles unterschiedliche Anwendungen, die aber miteinander kommunizieren können.

Was sind die für Dich wichtigsten Eigenschaften von Hubzilla?

Für mich ist das Entscheidende, dass ich den Zugriff auf meine Inhalte zeitsparend und präzise steuern kann, nur einer Person zur Verfügung stellen, einer Gruppe oder der ganzen Welt. Das macht für mich die Vertraulichkeit von Nachrichten aus. Genau wie in meinen eigenen vier Wänden kann ich jetzt auch in der digitalen Welt entscheiden, was mir gehört, was ich teilen möchte und was ich der Allgemeinheit zur Verfügung stelle.
Eine weitere herausragende Eigenschaft von Hubzilla ist die sehr hohe Verfügbarkeit. Ich kann eine knapp 100%-ige Verfügbarkeit sicherstellen, indem ich mehrere Klone meines Hubzilla-Profils auf anderen Hubs einrichte. Wenn ein Knoten ausfällt, kann ich mich mit denselben Zugangsdaten auf einem anderen Knoten anmelden. Das ist zwar ein anderes physisches Gerät, aber ich habe dort alle meine Nachrichten und Kontakte. Von diesen Klons kann ich beliebig viele einrichten.
Auf meinem Platz drei steht, dass Hubzilla mit unterschiedlichen Formatierungen arbeiten kann – HTML, Markdown, BBCode oder Wiki-Format. D.h. wenn ich in einem Forum etwas geschrieben und das mit BBCode formatiert habe, kann ich das einfach 1:1 nach Hubzilla kopieren. Das spart mir natürlich viel Zeit.
Grafik möglicher Anwendungsfälle für Hubzilla
Hubzilla ist vielseitig universell einsetzbar – (c) Gustav Wall, s. Bildnachweise

Ich kann also einen Beitrag ansprechend darstellen, muss aber diese Formatierungs-Codes kennen?

Ja, du kannst aber auch z.B. den Quelltext einer Internetseite anzeigen und dann eine Stelle kopieren und bei Hubzilla einfügen. Es geht auch nicht nur um die Optik. Du kannst auch Verlinkungen einfügen, die funktionieren dann auch.
Gerade weil ich auf unterschiedlichen Plattformen etwas veröffentliche, spart mir diese Funktion in Hubzilla Unmengen Zeit, da ich es nicht jedes Mal umformatieren muss.

Wo kann ich jetzt Hubzilla direkt ausprobieren?

Es gibt [bzw. gab, weil inzwischen offline]* eine Website https://demo.hubzilla.org/. Dort hat man ad-hoc Zugriff zu einem Sandkasten, wo man sich austoben kann. Hier bekommt man ein Gefühl dafür, was Hubzilla so kann. [Aktuell kann man es direkt ausprobieren unter https://hub.hubzilla.de/register.]* 
Oder Du suchst Dir einen Hub, auf dem Du Dich registrieren kannst. Auf der Seite https://the-federation.info/hubzilla gibt es eine Übersicht von Hubzilla und hubzilla-ähnlichen Netzwerken. Leider ist vor ein paar Monaten eine andere Übersichtsseite offline gegangen und noch nicht wieder reanimiert. Die war besser, denn auf der Federation-Seite stimmen manchmal die Informationen darüber nicht, ob es sich um einen offenen oder geschlossenen Hub handelt.

Für mich als Benutzer ist das verwirrend. Ich kann die Demo testweise ausprobieren, muss mir dann aber für längere Tests einen Hub suchen. Und ggf. muss ich mich durchklicken, bis ich einen gefunden habe, der offen für Registrierung ist.

Ganz genau. Hier wirkt sich der organisatorische Aspekt von Hubzilla aus. Das ist zugegebenermaßen eine Hürde, liegt aber in der Natur der Sache. Die Betreiber eines Hubs machen das nicht aus Gewinnstreben, aber der Betrieb eines Servers erzeugt Kosten, Zeit und Strom.
Einer der Entwickler hat auch einen „Public Hub“ eingerichtet (https://start.hubzilla.org). Dort habe ich einen Zugang erhalten und er ist recht flott. Allerdings klappt das nur, wenn du eine Einladung von einem anderen Nutzer des Hubs erhalten hast. Der Entwickler macht das aktuell, um ein Gefühl für die Anforderungen an die Hardware bei Unterhaltung einer größeren Menge von Hubzilla-Kanälen zu entwickeln.
Natürlich kann ich mir auch einen Hub selbst installieren. Dankenswerterweise hat mir das green net project eine Installation zur Verfügung gestellt, ich habe inzwischen aber auch Zugriff auf anderen Hubs. 
Ein Betreiber eines Hubs hat mich vor ein Paar Wochen angeschrieben – mein Profil würde 1 GB an Speicherplatz benötigen. Und wie viel Platz ich noch benötigen würde. Das hat mich überrascht, liegt aber vermutlich an der Architektur von Hubzilla. Die Informationen, die ich teile, werden auch dupliziert auf die Hubs der Empfänger. Und anders herum auch. Dadurch, dass ich viele mitteilsame Kontakte habe, steigt entsprechend die Datenmenge.

Ein soziales Netzwerk macht nur Spaß, wenn dort andere Menschen aktiv sind. Du bist da, ich auch. Ich will aber auch mit anderen Menschen kommunizieren. Wie viele Nutzer hat Hubzilla?

Auf der o.g. Übersichtsseite steht eine ungefähre Zahl, die mir aber viel zu klein erscheint. Ich habe jetzt mehr als 50 Kontakte. Wenn man sich neu anmeldet, fühlt man sich anfangs allein. Das liegt auch daran, dass es keine allgemeine Pinnwand gibt. Facebook lenkt Dich gerne auch dorthin, wo Facebook Dich haben möchte. Bei Hubzilla musst Du beginnen, nach Hashtags zu suchen (#aeffchen, #blume, usw.) oder nach bestimmten Hubzilla-IDs, z.B. meiner.

Ich muss mir meine Kontakt dadurch zusammensuchen, dass ich Personen folge, die ich kenne. Oder ich suche nach Hashtags zu Themen, die mich interessieren. Wenn ich dann spannende Beiträge finde, kann ich den Autoren folgen.

Ja. Eine weitere Möglichkeit ist, eine Übersicht der Channels auf einem Hubzilla-Knoten zu öffnen. Also ein öffentliches Verzeichnis aller Nutzer, die auf einem Hub angemeldet sind.

Wenn Hubzilla so ein gutes Tool ist, warum nutzt es nicht jeder? Was hält einen Menschen davon ab, Hubzilla zu nutzen?

Einmal ist die Hürde, zunächst irgendwo ein Gastprofil zu erstellen. Einige installieren einen Hub und bieten Freunden und Bekannten an, diesen zu nutzen. Solche Menschen muss man allerdings kennen.
Ich habe das Gefühl, in einem etwas glücklicheren Zeitraum bei Hubzilla unterwegs gewesen zu sein. Die andere alte Übersichtsseite, von der ich sprach, hatte auch noch Informationen zur Sprache und Version der gelisteten Hubs.
Und ich kenne einige Hub-Betreiber, die meinem Gigabyte-großen Profil eine Heimat geben.
Im Vergleich zu Facebook gibt es einen Vorteil und Nachteil zugleich – ich habe eigene Verantwortung. Ähnlich wie in der echten Welt – ich kann zur Miete wohnen oder ein Haus auf eigeneGrundstück bauen. Dann muss ich allerdings Verantwortung tragen und Rasen mähen usw.

Gibt es das Angebot, sich auf einem größeren Server gegen Geld ein Hubzilla-Profil zu mieten?

Das ist mir nicht bekannt und es ist gleichzeitig eine riesige Marktlücke. Ich werde demnächst auf dem Linux Presentation Day einen Vortrag zum Thema Dezentralität und Kooperationen für mehr Sicherheit“ halten. Darin werde ich das Thema Hubzilla ansprechen.
Ein Beispiel aus der Praxis: Apotheker lassen sich derzeit Rezepte auch per WhatsApp schicken. Aus Datenschutzgründen ist das jedoch hoch kritisch. Mit Hubzilla kann man das Problem datenschutzkonform lösen und der Apotheker kann den Zugriff über die Token-Funktion nur berechtigten Personen zur Verfügung stellen.
Als Apotheker könnte ich dann auch den Kunden, die noch kein Hubzilla-Profil haben, als Serviceleistung eine Registrierung auf meinem Hub ermöglichen. Hier sehe ich großes Potenzial – die Software ist ausgereift und es gibt viele freie Berufe, die auf Vertraulichkeit angewiesen sind: Anwälte, Ärzte, Steuerberater etc. Die Kommunikation über Facebook ist nicht unüblich, aber aus meiner Sicht mit dem geltenden Recht hinsichtlich Datenschutz nicht vereinbar.

Für mich scheint es, als bräuchte man Lust auf Technik, wenn man einen Hub betreiben will. Apotheker sind nach meiner Erfahrung nicht unbedingt Internet-affin. Kann ein Apotheker das trotzdem hinbekommen?

Meine Einschätzung ist sehr klar. Genauso wie bei anderen Dingen wird der Apotheker Handwerker bestellen, wenn es um die Heizung geht. In einem professionellen Umfeld müssen Profis ran. Hier sehe ich auch eine Marktlücke. Diejenigen, die jetzt auf Auftragssuche sind – z.B. Webhosting-Anbieter -, könnten die kostenlose Software nutzen und die Installation und Wartung als Dienstleistung anbieten.

Also ein Appell an jeden, der sich gerade motiviert fühlt, eine Hubzilla-Beratungsfirma ins Leben zu rufen, die Hubzilla-Knoten installiert und Ärzte, Apotheker und Anwälte zur Nutzung berät.

Ich kann mir vorstellen, dass Webhoster z.B. spezielle Angebote machen könnten, um der Auftragsflaute am Jahresende zu begegnen.

Sind Hubzilla und Human Connection Konkurrenten oder bietet sich eine Kooperation an?

Zu Human Connection kann ich nichts sagen, das kenne ich nicht. Ist das eine Software oder eine Organisation?

Human Connection ist eine Organisation, die ein Wissens- und Aktionsnetzwerk für den sozial-ökologischen Wandel entwickeln will, sozusagen Facebook in grün. Die Software sieht dann so aus, dass man einen Beitrag zum Thema Bienensterben sieht und dann direkt in Aktion gehen kann – weitere Informationen zum Thema holen, regionale Aktionsgruppen finden, eine Petition unterschreiben -, also Inhalte mit Handlungsmöglichkeiten verknüpfen. Die Software wird gerade von Grund auf selbst programmiert.

Hubzilla kommuniziert über ein bestimmtes Protokoll. Jede Software, die dieses Protokoll sprechen kann, lässt sich mit Hubzilla vernetzen. Es macht Sinn, früh genug in der Konzeptionsphase eine entsprechende Schicht in der Software-Architektur einzuplanen. Die Welt muss nicht homogen ausschließlich Hubzilla-basiert kommunizieren. Hauptsache, es gibt eine Schnittstelle. Für mich steht nicht die technische Plattform auf Platz eins, sondern Menschen und Inhalte.
Die Bundesrepublik Deutschland ist ein gutes Beispiel. Hier gibt es 16 Bundesländer, die gut miteinander auskommen. Denn es gibt ein Grundgesetz, das diese Bundesländer alle anerkennen. Diese Förderation gibt es in Bezug auf Hubzilla auch – die Anwendungen Diaspora, Friendica, Mastodon und Hubzilla teilen alle das gemeinsame Grundverständnis, Menschen miteinander sicher in Verbindung bringen zu wollen, damit sie Ideen und Inhalte austauschen können.
Hubzilla ist so aufgebaut, dass ich Inhalte aus einem anderen Netzwerk auch mittels Hashtag finden kann. Wenn dann dort weiterführende Links enthalten sind, die bei Human Connection liegen, dann kann ich aus Hubzilla heraus zu Human Connection wechseln.

Kann man das Konzept der Aktionsbuttons von Human Connection auch bei Hubzilla integrieren?

Definitiv. Hubzilla ist auf PHP und MySQL aufgebaut und hat eine Schnittstelle für Apps. Man kann also beliebige Erweiterungen programmieren und diese an Hubzilla andocken. Wenn es sich bei den Aktionsbuttons um einfache Links zu einer bestimmten Internetseite handelt, dann kann ich in Hubzilla eine Dummy-App einrichten, die auf eine Internetseite weiterleitet, z.B. WECHANGE. Ich kann mir sozusagen eine WECHANGE-App erstellen.
Andererseits kann ich direkt bei der Erstellung eines Beitrags direkt eine Umfrage hinzufügen, um ein Meinungsbild zu einem Thema zu bekommen. Das ist eine Standardfunktion von Hubzilla, aber anfangs nicht aktiviert, um einen Anwender nicht zu überfordern.

Bei Human Connection ist so etwas auch vorgesehen – eine Pro/Contra-Diskussion zu einem Thema.

Neben der Umfragefunktion gibt es bei Hubzilla auch noch andere Bordmittel – z.B. Daumen nach oben oder Daumen nach unten. 

Du erwähntest eben Apps. Gibt es bei Hubzilla auch einen App-Store oder Plugin-Store, wo man fertige Erweiterungen herunterladen und installieren kann?

Das ist ein Themenbereich, in den ich hineingeschnuppert, den ich aber noch nicht voll erkundet habe. Es gibt auf jeden Fall zahlreiche Apps, die sich hinzufügen lassen. Wenn man selbst PHP und Datenbankprogrammierung kann, dann kann man auch eigene Apps programmieren.
Ich habe mich auf meinem eigenen Hub neulich als Admin versehentlich ausgeschlossen. Auf anderen Knoten zum Glück nicht, daher konnte ich die Community fragen, welches Flag ich in der Datenbank zurücksetzen muss, um meinen Benutzer zu entsperren. Ich habe in ein paar Stunden eine Antwort der Community erhalten und konnte mich wieder aktivieren. Es war zwar nicht kritisch, aber es zeigt mir, dass es selbst als Einsteiger möglich ist, solche Grundlagen der Entwicklung schnell zu erlernen.
Für andere kann ich natürlich schlecht etwas versprechen, aber über meine Erfahrungen berichten. Wenn ich mal eine Idee für eine Erweiterung in Hubzilla eingebracht habe, wurde das in einigen Fällen innerhalb weniger Stunden direkt umgesetzt. Das ist aber nicht immer so. Die meisten Core-Entwickler sind ausgelastet, keiner von ihnen betreibt Hubzilla hauptberuflich. Sonst hätten wir vermutlich bereits einen Hubzilla-Anbieter für Geld. Mir gegenüber war die Community aber sehr hilfsbereit.

Ich habe mir Hubzilla vor einer Weile angeschaut, die Version 2.0.6 hat mich allerdings optisch nicht angesprochen. Die Oberfläche sah salopp gesagt so aus, als käme sie von Programmierern und nicht von Grafikdesignern. Wie kann man die Oberfläche von Hubzilla besser und intuitiver gestalten?

Wenn man eine Tour über unterschiedliche Hubs macht, sieht man, dass die Oberflächen dort unterschiedlich gelayoutet sind. Es ist somit möglich, ein eigenes Design zu entwickeln. Ich kenne einige Hubs, die anspruchsvoll und künstlerisch aussehen. Um ein eigenes Design zu entwickeln, kommt es natürlich darauf an, wie viel technisches Know-How vorhanden ist. Dann kann man auch abschätzen, wie viel Zeit man dafür braucht. Design steht für mich allerdings nicht im Mittelpunkt, daher habe ich mich damit noch nicht auseinander gesetzt.

Es müsste somit jemand ein Design entwickeln, der HTML und CSS kann. Bei WordPress kann man einfach ein Theme gegen Geld oder umsonst herunterladen und in WordPress installieren. Gibt es auch so ein Konzept bei Hubzilla?

Ja, es gibt ein Template-Konzept. Das ist auch gut dokumentiert. Ob es aber fertige Themes gibt, kann ich nicht beurteilen. Ich habe mich bislang auf die Funktionen konzentriert. Ich weiß aber, dass die Community sehr kooperativ ist und bei einer Individualentwicklung eines Themes zumindest beratend tätig sein kann. Vielleicht findest Du auch direkt ein Layout, das Dir gefällt.
Ich weiß von Hub-Betreibern, die technisch nicht sonderlich versiert sind, die aber ein anspruchsvolles Layout haben. Hier kannst Du auch direkt in Kontakt treten und fragen, wie es der- oder diejenige gemacht hat. Eventuell ist das sogar einfacher, als ich es mir gerade vorstelle.

Sind Hubzilla und WECHANGE als soziale Netzwerke Konkurrenten oder bietet sich hier auch eine Kooperation an?

Die Antwort ist ähnlich wie bei Human Connection. Wenn WECHANGE dasselbe Protokoll spricht, dann können beide miteinander kommunizieren.
Dass dieselben Inhalte unterschiedliche Layouts haben können, lässt sich auch in Hubzilla sehen. Ich habe bspw. mein Hauptprofil bei freecommunication, aber woanders einen Klon. Da erscheinen die gleichen Inhalte, weil sich die Datenbanken synchronisieren. Sie werden aber unterschiedlich abgebildet, weil unterschiedliche Versionen von Hubzilla installiert sind.

Jedes Softwareprodukt benötigt Kontinuität, regelmäßige Updates und Erweiterungen. Manche Projekte machen das, indem sie Programmierern dafür Geld geben. Gibt es solche Modelle bei Hubzilla?

Ich versuche, das immer wieder in der Community anzusprechen. Es macht Sinn und das Produkt ist auch reif dafür. Im Zusammenhang vom Open-Source-Betriebssystem Linux gibt es das Linux-Institut. Das zertifiziert z.B. Linux-Experten und verdient damit Geld.
Um nochmal auf das Beispiel mit Ärzten und Apothekern zurückzukommen – ich denke, Hubzilla kann hier eine zeitgemäße und datenschutzkonforme Kommunikation leisten. Wir haben hier aber ein Henne-Ei-Problem: Man muss die Entwicklung anschieben, um Kunden zu finden und Geld zu verdienen. Andererseits braucht man Geld für eine sichere Weiterentwicklung. Auf der Hubzilla-Website ist ein Spendenkonto https://salt.bountysource.com/teams/hubzilla verlinkt, der Spendeneingang dort ist aber ziemlich überschaubar.

Wie sicher ist Hubzilla? WordPress, Drupal und ähnliche Systeme sind ja häufig im Auge von Hackern.

Hierzu kann ich keine Antwort geben, die Frage ist eher an die Entwickler zu stellen. Mir ist nicht bekannt, dass im letzten Jahr etwas hubzillaspezifisches gehackt wurde. Hubzilla ist nicht unbedingt ein Objekt der Begierde für Hacker und auch noch lange nicht so weit verbreitet wie z.B. WordPress.

Gibt es APIs? Kann man Hubzilla in eine andere Internetseite integrieren?

Die Frage stellt sich für mich genau anders herum. Hubzilla kann alles beheimaten. Brauche ich einen Chat, dann starte ich im Hubzilla-Raum einen Chat. Brauche ich ein Forum, eine Mailingliste usw.? All das geht mit Hubzilla. Man kann auch Internetseiten damit umsetzen. Mir ist zwar kein Hubzilla-Shop bekannt. Es ginge sicherlich, das würde ich aber nicht anstreben. Irgendwo muss man die Grenze ziehen. Die Stärke von Hubzilla ist die Kommunikation, insbesondere die vertrauliche Kommunikation. Das bietet Hubzilla, und ich kann auch meine Web-Präsentation damit umsetzen.

Mit Hubzilla kann man also auch Internetseiten erstellen. Angenommen ich habe bereits eine Internetseite auf WordPress, möchte dort aber meine Social-Media-Beiträge von Hubzilla dort einbinden. Wie bekomme ich die Inhalte aus Hubzilla heraus und in die Internetseite rein?

Wenn es darum geht, die letzten Aktivitäten aus einem Hubzilla-Channel darzustellen, kann man bspw. einen RSS-Feed nutzen. Für WordPress gibt es sicherlich auch Plugins, die RSS lesen und darstellen können.

Ist Hubzilla-eigene Foren-Software vergleichbar mit anderen „großen“ Foren-Systemen, z.B. Burning Board, myBB usw.?

Hubzilla ist sozusagen ein Forum in Reinkultur. Mit Hubzilla kann man ähnliche Funktionalität umsetzen.

Wie lassen sich denn Strukturen wie Forum, Thema und Diskussion in Hubzilla realisieren?

Man muss grundsätzlich umdenken. Das Konzept von Hubzilla basiert auf Nachrichtenaustausch. Die Darstellung und Strukturierung der Inhalte kann jedoch überall anders aussehen.
In Hubzilla gibt es z.B. einen Hub, darauf lassen sich unendlich viele Channels einrichten. Bei Erstellung eines Channels kann ich auswählen, welche Art von Kanal es sein soll: ein öffentliches Forum, nur für Freunde usw.
Aus meiner Sicht ist es aber nicht sinnvoll, hier eine abstrakte Aussage zu treffen. Eher würde ich mir direkt einen Anwendungsfall anschauen wollen und beurteilen, ob Hubzilla dafür geeignet ist.

Welche Funktionen und Möglichkeiten des Hubzilla-internen Chats gibt es?

Ich habe den Chat kaum, ja so gut wie gar nicht genutzt. Mir ist aber bekannt, dass ein Chat nur für registrierte Benutzer möglich ist. Der Chat ist als eine App realisiert, ich kann den Zugang zum Chatroom ähnlich wie zu anderen Kanälen in Hubzilla präzise steuern.

Wie ist der Stand der Weiterentwicklung von Hubzilla? Wann kommt die nächste Version?

Die nächste Version habe ich nicht auf dem Schirm. Aber vor der letzten Veröffentlichung der Version 2.8 gab es eine größere Ankündigung und eine Testphase. Weitere Informationen zu den Versionen findet man in der GitLab-Seite. Die Entwicklung von der Version 2.0 zur 2.8 ist innerhalb eines Jahres passiert. Und brennende Probleme werden meistens sehr schnell gelöst.

gnp: Vielen Dank, Gustav, für die Vorstellung der eierlegenden Wollmilchsau Hubzilla. Ich hoffe, unsere Zuhörer und Leser konnten mitbekommen, was Hubzilla ist und was Hubzilla kann und nicht kann. Und man kann es direkt ausprobieren unter https://hub.hubzilla.de/register oder einen Hub finden auf https://the-federation.info/hubzilla.
Ich wünsche allen Interessenten viel Spaß beim Testen und Weiterentwickeln!

Weiterführende Informationen

Update vom 16.10.2018:
Hubzilla hat seinen Quellcode mittlerweile von Github nach GitLab umgezogen. Die entsprechenden Links wurden korrigiert.
* Update vom 25.10.2021:
Inzwischen nicht mehr aufrufbare Links wurde durch aktuelle Links ersetzt.

4 Antworten auf „Hubzilla – Interview zum dezentralen sozialen Netzwerk“

  1. Tolle und informative Sache Artikel. Werde es demnächst auch versuchen dh. mich damit etwas intensiver befassen. so wie ich das Ganze gelesen habe, ist die genau das was ich schon seit ….. suche. Daumen hoch

  2. Im oben verlinkten Thread
    Neustart
    schreibt Stefan Münz
    „Wichtig ist in dem Zusammenhang aber nicht nur der Provider, sondern auch die Software „Scriptinstaller“. Es handelt sich offenbar um dieses Produkt https://www.softaculous.com/softaculous/ von Softaculous.“
    […]
    Provider müssen also nur diese Installer-Software in ihre Webspace-Kunden-Kontroll-Panels einbauen. Und natürlich den Kunden alle erforderlichen Möglichkeiten und Rechte einräumen, damit solche Anwendungen über diese Software installierbar sind. “

    Hubzilla ist auf der Softaculous-Website hier http://demo.softaculous.com/enduser/index.php?act=demos im Abschnitt „Social Networking“ aufgelistet. Direktlink http://www.softaculous.com/apps/socialnetworking/Hubzilla .

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