nebenan.de – persönlicher Bericht zur Nachbarschafts-Plattform

Es fing an mit einem Zettel in meinem Briefkasten, zwei meiner Nachbarn ein paar Straßen weiter haben ihn eingeworfen und meine erste Reaktion war Skepsis, wie bei so vielen, die eingeladen worden sind: „Jetzt will mich wieder jemand überreden, mich preiszugeben“, ging mir durch den Kopf und der Zettel verschwand auf dem großen Stapel auf meinem Schreibtisch.

Rolf Demuth berichtet als Gastautor auf greennetproject.org im Kontext der Themenreihe „Digitale Vernetzung der Wandelbewegung„.

Erst viele Tage später habe ich mir wirklich mal die Webseite angeschaut, die da beworben wurde: Aha, … nebenan.de. Der Mensch ist von Natur aus neugierig, erst recht, wenn es um die Nachbarn geht: „Ich kann ja mal schauen, was es da so gibt.“ Ein Code auf dem Zettel hat mich gleich autorisiert als „echter“ Nachbar, alternativ hätte ich mich auch über meinen Personalausweis anmelden können.

Die Startseite von nebenan.de präsentiert sich in freundlichem Grün vollfarbigen, großen Fotos.

Und ich war überrascht über die Offenheit meiner Nachbarn, nebenan.de ist scheinbar ein sicherer Ort und ein wirklich überschaubarer Kreis, meine Nachbarn eben in einem weiteren Sinn. Die Informationen bleiben in dem Portal, so verspricht es die nebenan.de-Seite, und werden auch nicht an Suchmaschinen weitergegeben, das klingt schon mal gut.

Also doch keine neue Gruppe, die ständig piept und nervt und auch keine Spionage von dubiosen Datensammlern, dafür eben gut durchdacht, mit dem Ziel Nachbarn zu vernetzen, Menschen, die ich morgen auf der Straße treffen könnte. „Das ist ja cool!“

nebenan.de wurde erst 2015 von Christian Vollmann und fünf weiteren Personen gegründet, aus dem Bedürfnis, zu mehr Kontakt in ihrem Wohnumfeld zu kommen. Begonnen haben sie mit einer Stiftung, mittlerweile sind Investoren dazu gekommen und eine GmbH wurde gegründet. Deutschlandweit haben sich schon über 800.000 Menschen bei nebenan.de angemeldet.

Die Funktionen von nebenan.de

Auf der Webseite kann ich zwischen verschiedenen Rubriken wählen: es gibt einen Marktplatz mit der üblichen „Suche – Biete“ Funktion, ein Veranstaltungsportal und die Möglichkeit eigene Gruppen zu erstellen, die Beiträge in diesen Gruppen werden nur von deren Mitgliedern gesehen. Es gibt offene und geschlossene Gruppen, bei den offenen kann sich jeder selbst anmelden, bei den geschlossenen bedarf es einer Einladung seitens des Moderators (Ersteller der Gruppe). In meiner Nachbarschaft gibt es einen Chor und eine Brettspielgruppe, aber da ist bestimmt noch viel mehr möglich.

In der Rubrik „Deine Nachbarn“ kann ich sehen, wer sich schon alles bei nebenan.de angemeldet hat, da steht der volle Name und die Straße, zwei Drittel meiner Nachbarn zeigen sich mit einem Bild und wer mag kann noch mehr von seinen Interessen preisgeben, was er seinen Nachbarn anzubieten hat oder gern teilen möchte.

Mit einem persönlichen Postfach habe ich die Möglichkeit, gezielt Nachbarn anzuschreiben und Nachrichten auszutauschen, und ich kann über einen Mausklick weitere Nachbarn einladen, entweder durch Ausdrucken eines Handzettels oder per E-Mail.

Beispiel eines Angebots auf dem Marktplatz. An jedem Beitrag gibt es die Möglichkeit „Danke“ zu sagen, zu kommentieren und zu teilen.

Zu Nachbarn in anderen Bezirken Kontakt aufnehmen

Mein Bezirk hat einen Durchmesser von ca. 2 Kilometer und ich kann wählen, ob ich ihn mit den Nachbarbezirken verknüpfen möchte, um damit noch mehr Nachbarn zu erreichen, in den Nachbarbezirken sehe ich dann allerdings nur die Vornamen und nicht das ganze Profil. nebenan.de-Bezirke entstehen, wenn sich mindestens 10 Nachbarn in einem entsprechenden Gebiet anmelden, es lohnt sich also, auch wenn noch kein eigener Bezirk angeboten wird. Geplant sind deutschlandweit 30.000 Bezirke aufzubauen, derzeit sind es ca. 8000.

Beispiel für die Bezirke auf nebenan.de – hier exemplarisch der Leipziger Stadtteil Schleußig (grün) mit Nachbarstadtteilen (grau)

Mein Fazit

Bis jetzt ist nebenan.de komplett werbefrei und nur durch Sponsoren finanziert, es ist jedoch geplant, Ende 2018 Werbung durch lokale Betriebe einzubinden, um sich so finanziell besser aufzustellen.

Ich wohne in einer Kleinstadt und in meinem Bezirk sind derzeit 220 Nachbarn angemeldet, es ist vergleichsweise ruhig, wenn ich lese, wie in der Presse über nebenan.de berichtet wird. Mein Wohnzimmer schmückt jetzt eine neue Stehlampe, die ich geschenkt bekommen habe, und ich bin schon mit einigen Nachbarn in Kontakt gekommen, die ich sonst vermutlich nicht kennen gelernt hätte.

10 Antworten auf „nebenan.de – persönlicher Bericht zur Nachbarschafts-Plattform“

  1. Schön davon zu lesen, denn ich spiele gerade auch mit dem Gedanken, mich dort anzumelden. Ich wurde darauf aufmerksam, als ich an meinem Geburtstag (!) von einem Bekannten eingeladen wurde, mit auf ein Nachbarschaftsfest zu gehen. Davon gab es drei in meiner Stadt und bei einem war ich! Und es war schön, entspannend und anregend zugleich, in einem schönen Garten mit Speisen und Getränken sowie netten Leuten. Sprich: ein gelungenes Fest. Und dazu bekam ich die Informationen von dem Portal. Darüber zu lesen motiviert mich, endlich den Schritt zu gehen und mich dort tatsächlich anzumelden.

  2. > Begonnen haben sie mit einer Stiftung
    sehr gut!

    > mittlerweile sind Investoren dazu gekommen und eine GmbH wurde gegründet
    …ok, na da kann ich doch gleich wieder aufhören zu lesen, oder? 🙁
    Das läuft auf surrvailance-capitalism heraus, wenn nicht jetzt, dann später! 🙁

    …ich hab trotzdem zu Ende gelesen, sehe aber nichts, was meine Befürchtung zerstreuen könnte.

    Wirklich schade, an sich sehe ich schon Bedarf für solche Plattformen.
    Aber die Daten sollte nicht zentral in einer GmbH, sondern lokal im Dorf (Server im Bürgermeister-Zimmer 😉 ) gehalten werden.
    …dann ist es halt schwieriger, eine Geschäftsmodell drauf aufzubauen, ist mir schon klar…

    liebe Grüße und danke für den Bericht
    Joachim

    1. Die Plattform Gehört unter Andrem dem Burda-Konzern. Ein Schlem, wer hier kommerzielle Interessen vermutet. 😉
      Lohnt sich auch nicht sonderlich, denn es wird viel nutzloses „wir-haben-uns-lieb“ gepostet. Und natürlich die unvermeidlichen Angebote für allerhand esoterische Geldverschwendung, „Therapie“ udgl.

      Bin dort unter Pseudonym registriert und kann jedem nur raten, dort keine Realdaten zu hinterlegen.

  3. Ich hatte auch einen solchen Zettel, mit persönlichen Code, als „überraschende“ Werbung in meinen Briefkasten. Allerdings reichte dieser Code zur Anmeldung nicht aus, da mein Name zu „außergewöhnlich“ klang. Also wurde ich von den Seitenbetreibern aufgefordert ihnen eine Ausweiskopie (o.ä.) zu übermitteln. Das ging mir dann ein wenig zu weit…

    So „könne ich mir sicher sein, dass sich meine Nachbarn auch alle mit ihrem bürgerlichen Namen angemeldet haben“. – Ehrlich gesagt ist mir das ziemlich gleich, wo im Internet sich meine Nachbarn überall mit ihrem bürgerlichem Namen anmelden. – Und wenn meine Neugier so weit reichen würde, dass ich tatsächlich wissen will, wo sie alle haargenau wohnen, und wie sie heißen, gehen ich zu ihren Wohnungen und lese was da geschrieben steht auf ihrem Klingelschild. – Allerdings tue ich das nicht, weil erstens sich meine Neugierde auf andere Dinge richtet und ich zweitens auch kein Blockwart bin.

    Ich halte es für sehr verzichtbar einer Firma, deren Existenz ich durch unerwünschte Werbung, die ich nicht angefordert habe, erfahre, Kopien meiner offiziellen Papiere zuzusenden, um zu erfahren, wie das Profilbild meiner Nachbar*innen aussieht, und mit welchem Haus es in einer virtuellen Karte dazu verbunden ist. – Noch dazu, wenn diese Daten dann dazu benutzt werden einer GmbH Umsätze zu generieren…

    1. Vielleicht ist es noch nicht bekannt, was man so alles mit einer Ausweiskopie anfangen kann. Im Personalausweisgesetz steht unter anderem, dass das Anfertigen von Ausweiskopien und deren Weitergabe nicht gestattet ist. Was will und was macht die Firma mit den Legitimationen? Wer hat darauf Zugriff?

    2. Richtig! Und: Nebenan.de ist scheinheilig. Sie gehören großen Konzernen (u.a. Burda) und tun alles, damit kaum echte Informationen über sie im Netz auffindbar sind. So viel zur Transparenz…

  4. Bin dort auch beigetreten und habe es immer mal wieder benutzt, um Sachen zu verschenken, die zu schön waren, sie wegzuschmeissen, für die ich aber keine Verwendung mehr hatte. Positiv ist der lokale Bezugsrahmen. Und wenn lokales Gewerbe ein paar Annoncen schaltet, warum nicht?

  5. Ich bin von nebenan wieder ausgetreten. Die Administratorin unseres Gebietes wollte mich nötigen, ein Photo von mir als Profilbild zu posten und drohte, mich sonst von Treffen auszuschließen . Im Nachhinein habe ich mich geärgert, überhaupt meine Adresse bei der Anmeldung angegeben zu haben. Später habe ich Zettel an der Uni gesehen, auf denen die Administratoren-Tätigkeit als bezahlter Job angeboten wurde.

    Gruppen zu meinen Interessen (Garten, einkaufsgemeinschaft) sind in meiner Zeit nicht entstanden, es war eher wie Ebay.

    Wozu braucht es überhaupt einer digitalen Plattform, um Menschen zu treffen, die doch in unmittelbarer Umgebung wohnen?! Die Menschen wollen ja die Anonymität oder man trifft sie halt im Verein oder bei anderen Aktivitäten.

  6. Vielleicht ist es noch nicht bekannt, was man so alles mit einer Ausweiskopie anfangen kann. Im Personalausweisgesetz steht unter anderem, dass das Anfertigen von Ausweiskopien und deren Weitergabe nicht gestattet ist. Was will und was macht die Firma mit den Legitimationen? Wer hat darauf Zugriff?

  7. Auf den Klingelschildern Berliner Häuser sieht man nie einen vollen Namen. Zum Recht so.
    Ehrlich gesagt bin ich selbst in eigenem Haus nur mit dem Nachnamen bekannt. Meine Nachbarn wissen nicht, wie ich heiße, und ich weiß es auch nicht, wie sie heißen, es sei denn, wir haben uns persönlich vorgestellt, und nach 10 Jahren ununterbrochenes Wohnen im selben Haus, kenne ich nur die Hausmeisterin mit ihrem Vornamen.
    In manchen Häusern läßt sich am Klingelschild sogar gar nicht erkennen, wer in welcher Wohnung wohnt. Denn statt Namen stehen Nummern an den Klingelschildern. Hier ein Link dazu. https://www.berlin.de/special/immobilien-und-wohnen/mietrecht/5734522-739654-name-oder-nummer-am-klingelschild.html
    Meiner Meinung nach, sollte ein Nutzer selbst entscheiden wie viel er von seine Daten offenbart.
    Die Idee von Nebenan finde ich schön aber nicht nutzerfreundlich, bezüglich der Datenschutz und Mit- und Selbstbestimmung.

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