Wenn es um Digitalisierung und Nachhaltigkeit geht, werden oftmals digitale Währungen als Lösungsvorschlag genannt. Es ist jedoch möglich, sich gesellschaftlich zu organisieren, ohne über alles genau Buch zu führen – tauschlogikfrei. In unserem Interview mit Friederike Habermann erläutert sie u.a., wie das funktionieren kann.
Friederike Habermann ist eine deutsche Volkswirtin und Historikerin. Sie schreibt, lehrt und forscht als freie Wissenschaftlerin. Ihr aktuelles Buch trägt den Titel “ausgetauscht! – Warum gutes Leben für alle tauschlogikfrei sein muss”.
Woran arbeitest du gerade und welche Rolle spielt darin die Digitalisierung?
In den letzten Wochen war ich auf zwei Tagungen, die sich ganz explizit um Digitalisierung gedreht haben – letztes Wochenende auf der Konferenz Bits & Bäume, bei der die Digitalisierungs- und Degrowth-Bewegungen zusammengeführt wurden, und die Woche zuvor bei einem mehrtägigen internationalen Event mit ca. 100 Teilnehmenden zum Thema “Künstliche Intelligenz”, organisiert von der Berliner Gazette.
Derzeit arbeite ich zum Thema “anders Wirtschaften”. Hier spielt die Digitalisierung mit hinein, denn Themen wie “Industrie 4.0” haben einen Einfluss auf die Zukunft der Arbeit und damit einer gesellschaftlichen Entwicklung im Ganzen. Ich beobachte zwei gegensätzliche Zukunftsvisionen: Auf der einen Seite die Dystopie, in der alles unter totaler Kontrolle ist – mithilfe von Massenüberwachung, Big Data usw. – und auf der anderen Seite eine positive Vision, in der man sich auf der ganzen Welt dezentral und emanzipatorisch vernetzen kann. Das ist eine Perspektive, die auch Jeremy Rifkin einnimmt. Der Zukunftsforscher und Ökonom hat die Hypothese einer “Null-Grenzkosten-Gesellschaft” aufgestellt. Prosumenten produzieren und teilen darin Informationen, Energie, Produkte aus dem 3D-Drucker usw. mit geringen bis hin zu null Grenzkosten. Gleichzeitig wird ein Teilen von Fahrzeugen, Wohnraum, Kleidung usw. möglich. Statt in gewinnorientierten transnationalen Unternehmen organisieren sich die Menschen in „Kollaborativen Commons“ und können so Güter dezentral produzieren und die Bedürfnisse vor Ort befriedigen.
Meine Quintessenz aus dem Themenfeld Digitalisierung ist, dass Technik gesellschaftliche Tendenzen verdichtet. Auch beim Workshop der Berliner Gazette wurde thematisiert, dass künstliche Intelligenz sehr schnell rassistisch und sexistisch wird. Letztlich ist das aber kein technisches Problem, sondern ein gesellschaftliches. Auch wenn wir das nicht wahrhaben wollen, ist unsere Gesellschaft leider noch rassistisch und sexistisch. Technik bietet somit einen hervorragenden Ansatzpunkt, die Gesellschaft grundlegend umzugestalten, denn sie macht diese Tendenzen sichtbar.
Technik macht auch positive gesellschaftliche Visionen vorstellbar. So kann man sich leichter ausmalen, wie die Kollaborativen Commons auf globaler Ebene miteinander wirtschaften. Oftmals wird man mit der These konfrontiert, Commons würden nur im Kleinen funktionieren, und dem lässt sich nun diese positive Vision entgegen stellen. Gleichzeitig darf man nicht der Illusion unterliegen, unsere gesellschaftlichen Probleme ließen sich einzig mit Technik lösen.
Es scheint, als wären nur große Konzerne dazu in der Lage, die Versorgung unserer Gesellschaft zu sichern. Lebensmittelversorgung durch industrielle Landwirtschaft, Mobilität durch Automobilkonzerne, Kommunikation durch IT-Giganten. Gibt es Alternativen aus Bürgerhand?
Ja, es gibt ganz klar Alternativen. Auch scheint es nur so, als wären einzig Konzerne dazu in der Lage.
Unsere „industrialisierte“ Lebensmittelversorgung basiert bis heute auf 70-80% kleinbäuerlicher Landwirtschaft, also kaum Großkonzerne. Letztere haben aber eine entscheidende Rolle, denn sie nutzen Herbizide, Pflanzenschutzmittel und mineralische Dünger und machen damit fruchtbaren Boden kaputt. Die Marktlogik zwingt schon lange die kleinbäuerlichen Betriebe dazu, ähnlich zu agieren. Entsprechend gibt es sehr viele ungesunde Monokulturen. Der Welternährungsbericht der Vereinten Nationen zeigt seit Jahren auf, dass auf eine dezentrale biologische Landwirtschaft umgestellt werden muss, wenn die Menschheit sich weiterhin ernähren will. Die Ratifizierung durch Deutschland wurde jedoch abgelehnt da sie mächtigen wirtschaftlichen Interessen widerspricht.
Das Auto ist ja ein beliebtes Beispiel, obwohl ich wirklich keine Verfechterin des Individualverkehrs bin. Anstelle von Konzernen können jetzt einzelne Gruppen auftreten und sich übers Internet vernetzen. Jemand hat z.B. einen Impuls, ein Auto zu konstruieren, das nur einen Liter Benzin auf hundert Kilometer verbraucht und dennoch aktuellen Sicherheitsstandards entspricht. Die Person kann sich mit anderen online vernetzen und es dezentral konstruieren und in Werkstätten bauen oder ausdrucken.
Bei Kommunikation gibt es derzeit Informations-“Monopole“. Das ist auch sinnvoll, denn ein gemeinsam genutztes Lexikon ist nützlicher, als wenn alle ihr eigenes Lexikon aufbauen. Wichtig hierbei ist die Trägerschaft – so ein Lexikon sollte nicht irgendwelchen Konzernen gehören, sondern dezentral und transparent sein. Ähnlich ist es bei Social Media – die Vernetzung mit allen Menschen sollte möglich sein, aber gleichzeitig dezentral und transparent, z.B. durch Offenlegen des Quellcodes (open source).
Auf diese Art und Weise eröffnen sich eben neue Möglichkeiten auch von dem, was der Medienökonom Felix Stalder „Digitale Solidarität“ nennt: dass Leute merken, sie haben Lust, an einem Projekt mitzuwirken, etwa der Konstruktion eines Autos oder Mitprogrammieren an einem sozialen Netzwerk. Sie sind motiviert, auch wenn sie dafür keinen Lohn kriegen.
Wie stark können solche Alternativen sein? Lassen sich auch die Infrastrukturen für Wasser, Energie, Verkehr usw. durch Bürgerhand organisieren bzw. dezentral?
Den Begriff „Bürgerhand“ würde ich gerne hinterfragen, denn er suggeriert einen Gegensatz zwischen Bürger und Staat. Ich bin der Ansicht, dass sich dieser auflösen sollte.
Die philosophischen Strömungen, die unseren Staat maßgeblich geprägt haben, sagen „der Staat ist dazu da, um Eigentum zu schützen“. Eigentums ist so definiert, dass man andere von etwas ausschließen kann, ohne dass man es selbst braucht. John Locke, auf den der Eigentumsbegriff zurück geht, bezeichnete zahlreiche Gruppen von Menschen als nicht „eigentumsfähig“ – darunter Frauen, Knechte und Indigene. Laut Locke können diese Menschen keine „Bürger“ sein, sind somit strukturell diskriminiert. Auch, wenn Emanzipationsbewegungen rechtliche Gleichstellung erreicht haben – unser Staat ist auch heute noch dazu da, dass Menschen ihre Schulden zahlen und Dinge tun, die einer wahrhaft demokratischen Gesellschaft widersprechen würden.
Wie sähe also die Alternative aus? Mit viel Organisierung und mit überlappenden Commons. Die von Euch genannten Infrastruktur-Beispiele sind in einer ganz anderen Größenordnung als z.B. eine gemeinschaftlich betriebene Bäckerei. Es erfordert eine deutlich umfangreichere Organisierung und gerade an diesen Stellen liegt es nahe, den Gegensatz zwischen Bürgerhand und Staat aufzulösen.
George Monbiot schlägt ein neues Narrativ für unser Gesellschaftsmodell vor:
„Chaos erschüttert das Land – die Kräfte des Neoliberalismus reißen uns auseinander und isolieren uns voneinander – eine Gesellschaft der Einsamkeit – eine Gefahr für unsere Gesundheit auf politischer, sozialer und geistiger Ebene. Die Helden dieser Geschichte schließen sich zusammen und bilden effektive, wohlwollende und inklusive Gemeinschaften. Sie bauen eine Politik der Teilhabe – eine Politik von den Menschen für die Menschen. Sie holen die Macht zurück, die ihnen genommen wurde und stellen somit die gesellschaftliche Ordnung wieder her“.
Neoliberalism is dead: why we need a new political story – Video von George Monbiot
Wie stehst Du zu diesem Lösungsangebot für ein neues Narrativ – brauchen wir das überhaupt?
Wir brauchen auf jeden Fall ein neues Narrativ. Gleichzeitig können wir die Zukunft aus der jetzigen Gesellschaft heraus noch nicht sehen. Wie hätten wir uns die globale Vernetzung vor 20-30 Jahren vorgestellt, als es noch kein Internet gab? Es wäre eine ganz andere Antwort herausgekommen. Daher ergibt eine zu konkretistische Vorstellung keinen Sinn, ein Narrativ hingegen schon. Und ich halte es für wichtig, dass man dieses Narrativ lebt. Aus meiner Sicht bedeutet das, Solidarität zu leben und Tauschlogikfreiheit.
Monbiots Restaurations-Narrativ suggeriert, dass die Welt vor dem Neoliberalismus einmal gut war. Das negiert das, was ich eben mit John Locke angedeutet habe. Zu Lockes Zeit hat sich Europa die ganze Welt Untertan gemacht. Es gab brutalste koloniale Ausbeutungsverhältnisse über Jahrunderte – und noch bis in die Zeit des Keynesianismus und des Wohlfahrtssaates hinein. Trotz Auflösung vieler Kolonien in den 1960er-Jahren haben sich die Weltwirtschaftsverhältnisse nicht gravierend geändert. Die Restauration ist also nicht ausreichend, denn das vorherige Modell hat auf Ausschlüssen beruht.
Was ich mit Wohlwollen und inklusiven Gemeinschaften verbinden würde ist, dass man solidarische Gemeinschaften bildet, die für alle offen sind. Also keine Menschen aufgrund ihrer Identität auszuschließen und keine engen Gemeinschaften, sondern immer nach außen offen, sozusagen „andockbar“. Krystian Woznicki, der die Konferenz der Berliner Gazette mitorganisiert hat, schrieb vor zehn Jahren ein Buch mit Jean-Luc Nancy. Darin wurde ein Gemeinschaftsbegriff definiert, der nicht auf Identität beruht. In diesem Buch stellte Woznicki auch die Frage, ob nicht solche Gemeinschaften ein attraktives Gegenmodell zu rechten, auf Ausschluss beruhenden, Gemeinschaften darstellen können. Diesen Ansatz finde ich sehr spannend und dem sollten wir weiter nachgehen.
Inwiefern hilft uns ein Bedingungsloses Grundeinkommen, um eine Transformation zu einer Ecommony zu bewirken?
Ecommony ist mein Begriff für eine commons-basierte Wirtschaft. Das bedeutet auch tauschlogikfrei und damit geldfrei. Geld ist immer ein Tausch. Und eine Tauschlogik begünstigt Knappheit – der eine hat ganz viel und der andere verhungert. Genau das passiert beim Einsatz von Geld, daher bin ich grundsätzlich kein Fan von Geldbeziehungen.
Ein Grundeinkommen befürworte ich aber aus sozialen Gründen. Angesichts der Tatsache, dass es Menschen gibt, die düpiert werden, weil sie keinen Job haben. Und das, obwohl das Ziel der Industrie 4.0 ist, menschliche Arbeit in der Produktion überflüssig zu machen. Innerhalb einer auf Geld beruhenden Gemeinschaft brauchen Menschen Geld, um sich das zu erhalten, was sie zum Leben benötigen.
Einen Ausdruck aus der wertkritischen Richtung finde ich allerdings noch spannender – nämlich das bedingungslose Grundauskommen. Dieses fordert freie Wohnräume, Bildung, Gesundheitsversorgung, Nahverkehr etc. ein. So haben die Menschen eine “materielle Grundgeborgenheit”, wie es in den 1970er-Jahren in Skandinavien auch genannt wurde. Das bedingungslose Grundauskommen wäre aus meiner Sicht eine noch bessere Grundlage für eine Transformation zu einer Ecommony.
Mit dem Konzept des Bedingungslosen Grundeinkommens kann man Gefahr laufen, nur die monetären Ströme im Blick zu haben. Dabei funktioniert ein sehr großer Anteil in der Wirtschaft ohne Geld. Beispiele hierfür sind die traditionell „weiblichen“ Tätigkeiten – Erziehung, Pflege, Hausarbeiten usw. Wenn man das Bruttoinlandsprodukt (BIP) als Kennzahl für die erbrachten Leistungen innerhalb eines Landes verwendet, bleibt die unbezahlte Arbeit unsichtbar. Sehr konservativ geschätzt macht die unbezahlte Arbeit mindestens ein Drittel des BIP aus. Üblicherweise liegen die Schätzungen eher zwichen 70 und 80 % – und wenn man dazu noch die Leistung der Natur, Arbeit und Leid von Tieren einberechnet, kommt man schnell auf 250 %. Diese Leistungen werden sozusagen „eingesteckt“, damit am Ende 100 % des BIP herauskommen. Das oftmals angebrachte Argument, „beim Bedingungslosen Grundeinkommen müssen ein paar Leute das Geld für alle verdienen“, ist daher falsch. Eher würde sich mir die Frage stellen, warum die Geldströme so gelenkt werden, dass einige Leute sehr viel Geld verdienen und unbezahlte Arbeit ignoriert wird. Um den Blick hier ein wenig zu öffnen, finde ich das Bedingungslose Grundauskommen hilfreich.
Oft scheinen realpolitische Sachzwänge im Gegensatz zu schnellen und grundlegenden Systemänderungen zu stehen. Ist unser politisches System dazu in der Lage, eine gesellschaftliche Transformation zu tragen, oder brauchen wir ein Demokratie-Update?
Wir brauchen auf jeden Fall ein Demokratie-Update. Und wir sollten nicht darauf warten, dass es von oben kommt.
Wie eingangs mit Eigentumssicherung und Staat erwähnt denke ich, dass sich existierende Kraftverhältnisse in Form unseres Staats und unserer Gesetze materialisiert haben. Das heißt nicht, dass es da „böse Mächte“ gibt, die das absichtlich tun. Auch zahlreiche emanzipatorische Errungenschaften der Zivilgesellschaft (Rechte für Menschen als Frauen, als Homosexuelle usw.) basieren auf Ausschluss. Wer gehört dazu und wer nicht? Aus demokratietheoretischer Sicht ist das ein Problem. Der Begriff Zivilgesellschaft wird auch aus postkolonialer Theorie sehr kritisch gesehen. Zwar konnten sich im Wohlfahrtsstaat Frauen emanzipieren und die Arbeiter hatten mit den Gewerkschaften einen starken Arm, weil sie die Produktion anhalten konnten. Die Menschen, die damals wie heute im globalen Süden verhungern, haben aber eben keine Mitsprachemöglichkeit. Da muss sich grundlegend etwas ändern. Emanzipation ist nicht zuletzt Emanzipation der Anderen. Wenn wir das im Blick behalten, können wir wesentlich demokratischere Gesellschaftsformen entwickeln.
Du erwähntest die Arbeiter, die sich Gehör verschaffen konnten, indem sie durch Streiks die Produktion stoppen und das System damit stören konnten. Ähnliches sprach Harald Welzer auf dem Podium bei der Bits und Bäume an. Welche Möglichkeiten zur Systemstörung haben die Menschen im globalen Süden?
In den 1990er-Jahren habe ich ausgehend von der internationalen zapatistischen Bewegung die Globalisierungsbewegung mit aufgebaut, damals in Form vom Peoples Global Action. Das war unter anderem eine Vernetzung zapatistischer Bewegungen, und viele Menschen aus dem globalen Süden haben dabei mitgewirkt. Aus diesem Umfeld kamen die Proteste bei der Welthandelsorganisation und beim internationalen Währungsfonds. Das Erstarken der Bewegung hat Repressionen hervorgerufen und vor dem G8 in Genua war die Befürchtung, im nächsten Schritt wird jemand erschossen – so war es dann auch. Auf der anderen Seite haben die Proteste in Seattle eine große Öffentlichkeit erreicht und gelten als „Coming Out“-Party der globalisierungskritischen Bewegung. Sie haben dazu geführt, dass der gesamte afrikanische Kontinent durch die Proteste gestärkte wurde, dass die Länder nicht mehr zugestimmt haben, als die reichen Länder diktatorische Handelsrichtlinien vorgeben wollten. Dort konnte also richtig „gestört“ werden.
Als Harald Welzer über die Möglichkeiten der Systemstörung sprach, musste ich an einen Vorfall im Hambacher Forst denken. Es gab ein Video, in dem eine junge Frau interviewt wurde, deren Baumhaus geräumt wurde. Das Video wurde aufgenommen, kurz bevor sie ins Gefängnis gebracht wird. Und es wurde millionenfach geteilt.
Das Beeindruckende ist, dass sie beschreibt, wie im Wald gelebt wird. Sie habe verlernen müssen, wie sie in der Gesellschaft behandelt werden. Im Wald wurde sie nicht gefragt, was sie für eine Ausbildung habe, was sie leiste und wie sie aussehe. Sie sei jeden morgen aufgewacht und habe gewusst, sie ist am richtigen Ort. Mit diesen Menschen (auf einen Polizisten zeigend) wolle sie niemals tauschen wollen, denn sie wisse, dass sie genau da sei, wo sie hingehöre; genau das tue. Dass sie dafür lieber ins Gefängnis gehe, als mit jenen zu tauschen, die nur ihrer Lohnarbeit nachkämen. Das hat deshalb so viele Menschen begeistert, weil sie darüber berichtet, dass das Leben im Hambacher Forst nicht nach Leistungskriterien funktioniert, sondern ins Zentrum stellt, was wirklich wichtig im Leben ist und was zu schützen ist.
Und diese Mischung zwischen Widerstand und solidarischem miteinander leben, was wir wichtig finden – das hat einen starken Störeffekt und eine ansteckende Wirkung im positiven Sinne.
Es gibt derzeit Überlegungen, dass sich die Akteure des sozial-ökologischen Wandels zu einem Verband zusammenschließen, um sich besser zu koordinieren und schlagkräftiger handeln zu können. Braucht der Wandel so eine Struktur und falls ja, was wäre Dir dabei wichtig?
Das ist ähnlich wie bei den zahlreichen Online-Vernetzungsplattformen – es gab bereits viele Ansätze. Ich bin seit Jahren beim „Nürnberg-Netz“ dabei, das sich gegründet hat, damit wir uns nicht gegeneinander ausspielen lassen. Es kommen immer mal Anfragen wie „wir machen ein Podium mit Christian Felber, kannst Du da nicht mal etwas entgegensetzen?“. Ich höre mich manchmal etwas scharf an, habe aber wahnsinnige Sympathien für Niko Paech oder Christian Felber. Sie stehen zwar für etwas anderes – aber es ist zu erkennen, dass wir dasselbe wollen. Diese Vernetzung hat es ganz gut möglich gemacht, einen grundsätzlichen Zusammenhalt herzustellen. Ich vermisse noch ein wenig das gemeinsame Vorangehen und die Überlegungen, wie unsere Strömungen zusammen wirken können.
Mir stellt sich die Frage, wie die Leute an ihren lokalen Orten, die für das eine oder andere stehen, zusammenkommen. Das gleiche gilt für einzelne Bewegungen. Das ist in der Tat recht spannend. Das Nürnberg-Netz ist sehr klein und es wäre gut, breiter anzusetzen mit einer neuen Vernetzung. Vielleicht seid Ihr die Richtigen, das auf eine andere breite Basis zu stellen.
Wir verfolgen auch einige Entwicklungen im Bereich Platform Coops – d.h. oftmals genossenschaftlich organisierte Onlineplattformen. Wie stehst Du zu dem Genossenschaftsgedanken?
Genossenschaften sind grundlegend nach innen solidarisch und nach außen Konkurrenz. Ich bin gerade angefragt worden für eine Vernetzung, wo es darum ging, das Prinzip einer solidarischen Landwirtschaft auf Betriebe anderer Art zu übertragen. Dort wird die Tauschbeziehung zwischen Produzierenden und Abnehmenden aufgehoben; stattdessen machen erstere ihren finanziellen Bedarf transparent und letztere garantieren diese Summe durch anonyme Bietrunden. Denn während klassische Genossenschaften zunächst solidarisch nach innen, aber konkurrent nach außen handeln, stellt sich die Frage, inwiefern sich Marktstrukturen auflösen lassen. Ansonsten bin der Überzeugung, dass sich Konkurrenz immer wieder durchfressen wird.
Aber es ist gerade viel in Bewegung – Bäckereien, Brauereien, Magazine usw. versuchen gerade weiter zu gehen als die klassischen Genossenschaften. Es geht mehr in Richtung solidarische Landwirtschaft – die einen sichern die Existenz der anderen. Zwar wird Geld eingesetzt, aber die Marktlogik wird ausgehebelt.
Auf dem Festival “MOVE UTOPIA” lassen sich gesellschaftliche Utopien erleben. Die nächste Veranstaltung findet am 10.-14.07.2019 in Harzgerode statt.
Es gibt nichts gutes außer man tut es ! Reden ist Silber, doch die richtige tat und Aktion ist das Gold dass die Entwicklung zu einer neuen Kultur braucht.